Barfuß steht sie am Strand…
…die Füße halb im Wasser, der Sand unter ihr zieht sie tiefer in die Erde. Das Wasser steigt höher,
sie bleibt stehen und schaut zum Himmel, fühlt den Wind im Gesicht, spürt das Wasser auf ihrer Haut,
berührt das Licht mit ihren Wimpern und schenkt den Wolken ein Lächeln.
Sie hält die Hände fest in ihren Hüften, als wolle sie sich nie mehr loslassen.
Möwen kreisen am Horizont und schmettern ihre Arien gen Himmel. Sie sinkt tiefer.
Ihre Knöchel sind jetzt schon so tief, dass sie wie ein Baum am Rande des Meeres steht.
Sie neigt ihren Kopf zur Seite, ihr Profil zeigt ein Lächeln und das Sonnenlicht reflektiert in ihren Tränen.
Die Flut läuft ein und sie schaut geduldig zu, lässt sich nicht beirren in ihrem Glauben, lässt keinen Zweifel zu.
Menschen kreuzen ihren Weg, warnen sie, wollen sie entwurzeln. Sie bleibt stehen, sagt ein paar Worte in den Wind.
In ihnen bleibt nur eine Spur von ihr, sie vergehen in ihr. Ihre Waden sind nun von der Erde bedeckt, ihre Größe scheint zu schwinden, die Hände fest in ihre Hüften gepresst,
schaut sie weg – sie scheint zu ruhen.
Das Meer ist keine Bedrohung für sie, sie lächelt noch immer. Tropfen aus Salz über ihren Lippen, mit der
Zungenspitze aufgenommen um sie nicht zu vergeuden, als
wolle sie nichts mehr von ihr hergeben,
in ihr bleiben…alles an sie binden.
Ihr Herz schlägt ruhig, ihr Atem beinah still, ihr Schluchzen bibbernd im Körper gefangen. Kein Wort.
Ihr Unterkörper ist im Boden versunken, das Wasser reicht bis zum Bauchnabel, die Hände losgelassen.
Ihre Fingerspitzen scheinen mit dem Wasser zu reden.
Sie spielt Klavier auf dem Meer, ihren Kopf im Nacken.
Die Sonne berührt bald das Wasser. Menschen kommen, Menschen gehen,
sie schauen sie an, sie reden auf sie ein.
Sie hört geduldig zu, dreht sich ab.
Sie wartet….
Das Wasser hat ihre Brust erreicht.
Sie scheint zu wanken, scheint keinen Halt zu haben, scheint als verginge sie gleich.
Sie wartet….
Menschen, Angst habend vor dem was sie sehen, stehen machtlos in sicherer Entfernung, alles vorbereitet für die Rettung.
Sie dreht sich zu ihnen um, als ob sie ihnen sagen wollte: „Alles ist gut, geht nach Hause. Ich werde leben“.
Die Flut ist angekommen und mit ihr die Frische auf die sie gewartet hat. Die Sonne taucht ins Meer. Das ist ihr Zeichen…
sie wirft sich zurück in die Arme des Meeres, den Blick gen Himmel.
Die Sonne fängt sie auf, der Himmel reicht ihr die Hand.
Sie haben sie entwurzelt. Sie hält die Luft an,
sinkt in die Tiefe, die Menschen stehen fassungslos umher.
Sie ist nicht mehr zu sehen.
Alle gehen und kehren ihr den Rücken.
Sie ist jetzt bereit…schießt aus der Tiefe,
von der Sonne beglückt, von der Tiefe befriedigt, in voller Größe und neuer Kraft schreit sie laut bis
die Menschen erstarren.
Keiner wagt sie anzusehen, sie haben sie verraten. Sie schenkte ihnen Liebe und ließ sie ihren Weg weitergehen…