Den Tod bekleiden
Ich kann mich daran erinnern was ich empfunden habe, als ich zum ersten mal operierte Gesichter sah. Ich war gefesselt von dieser Ausdruckslosigkeit. Ich bin in den 80’ern aufgewachsen. Wenn man operierte Gesichter gesehen hat, dann meist nur in den Medien. Michael Jackson, Cher oder Pamela Anderson gehörten zu den Bekanntesten dieser Zeit des Wandelns. Die Ästhetik wurde zu Kosmetik.
Scheinbar über Nacht vollzog sich ein Wandel der mittlerweile in unserem Alltag präsent ist. Den Umgang mit dieser Thematik finde ich unerträglich. Unerträglich weil der Ausspruch:“Wer schön sein will, muss leiden“ wortwörtlich umgesetzt wird. Substanzlos finde ich es, weil es jeglicher Vernunft entbehrt.
Menschen Bauen sich Wahrheiten und platzieren sie in ihr vielfach eng gestricktes Leben. Doch morgen kann diese, ohnehin abgelutschte Wahrheit, schon von einer anderen, der Laune oder Überzeugung nach, je nach Stimmung und Erlebnisse, eine abgewandelte oder völlig andere sein. Menschen handeln förmlich mit Wahrheiten, eine ultimative Erkenntnis besitzen sie nicht wenn es um ihre wirkliche erklärbare Existenz geht. Sie pokern mit Gott. Auch ohne erkennbare Wahrheit, denn die vielfältigen Möglichkeiten einer Kreatur (Mensch), ein vergänglicher Körper also, sind nicht schmerzfrei.
Wenn ich moralisch und ethisch diese verbreitete Ästhetik anschaue, so finde ich den Preis der Freiheit in diesen Masken und in den Narben der Gefangenschaft wieder .
In den Jahrzehnten meines Daseins auf dieser Erde habe ich miterlebt wie einiges „freier“ wurde und somit selbstverständlich zu sein schien. Alleine mit der Haltung „Mein Körper gehört mir“ fand eine Befreiung statt, die nicht nur auf dem freien Willen basieren sollte, sondern auch auf tatkräftige Umsetzung. Das heißt, frei zu entscheiden und zu gestalten was für einen selbst richtig ist. Die Konsequenz dieser Freiheit ist eine weitere Maske. Als hätten wir nicht genug Masken, wurde eine Maske angefertigt die kein Leben in sich trägt. Als könne man es nicht abwarten zu sterben. Der Verlust der eigenen Identität nach dem jeder Protagonist von Anbeginn seines Lebens strebt, verödet in einem Einheitsbrei. Die Generation der selbstbestimmten Neuerschaffer machen auf mich den Eindruck als hätten sie für den Tod ein neues Kleid gebastelt. Ist das schon die biologische Ausführung der Cyborgs?
Was bei den Umsetzungen der Freiheit leider oft vergessen wird ist die Konsequenz aus der Handlung.
Die Handlungen Maskierter und selbst Massakrierter ist weitreichender als sich nur mal eben die Nase brechen zu lassen um sie wieder gerade zu richten oder komplett zu verändern.
„Ästhetik ohne Ethik ist Kosmetik“(Ulay). Die Essenz der Ästhetik muss ethisch sein um länger haften zu bleiben als ein Lippenstift oder eine glatte Oberfläche.
In jeder Epoche der Menschheitsgeschichte gab es Schönheitsideale. Diese wiesen auch kulturelle Unterschiede auf.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6nheitsideal
Ich suche den tieferen Sinn dieser Ansicht. Ich suche nach der Frucht dieses Handelns. Ich suche die Schönheit dieser Abbildung. Ich suche nach dem Verständnis dessen, was vollzogen wird. Ich suche nach der Liebe und der Selbstachtung jener Menschen die ihr Fundament zerstören und ein künstliches Gerüst aufbauen. Ich suche nach dem Individuum und seiner Identifikation.
Welches Bild wird hier verbreitet? Welche Mission steckt dahinter? Welcher Geist bewohnt diese Hülle?
Da ich keine fundierte Antwort auf meine Fragen bekomme und nicht einmal eine Zufriedenheit erkenne in diesem Vollzug der Verstümmelung und des Selbstbetrugs, muss ich handeln und konsequent sein im Wirken. Dieses Thema beschäftigt mich schon sehr lange, doch in den letzten 6 Jahren habe ich mich intensiver damit beschäftigt und beschlossen meine Arbeit an ungekünsteltem Aussehen zu verrichten. Ich werde keine Menschen fotografieren die ein Bild von sich zeigen welches nicht dem Ursprung entspricht. Weder werde ich retuschieren, noch glätten noch verschönern. Ich entziehe mich dieser Welt und beschäftige mich mit wahrer Schönheit die nur die Natur im Stande ist hervorzubringen. Ich möchte nicht das diese „falschen“ Bilder als Zeugnis dienen um eine Normalität ins Leben zu zwingen, die keine ist.